PraxenKollaps – Praxis weg, Gesundheit weg

Befragung zur Lage der Praxen / Petition zur Rettung der ambulanten Versorgung / Mailing-Aktion der KBV / Download Plakate / Sondersitzung der KVBB-Vertreterversammlung

KBV-Vorstand im Petitionsausschuss am 19. Februar

Deutliche Worte fand Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), am 19. Februar im Petitionsausschuss des Bundestags: „Wir haben einen akuten Handlungsdruck. Denn Praxisschließungen drohen bereits in den nächsten Jahren in größerem Umfang. Praxen, die ihre Türen für immer zumachen, ohne einen Nachfolger gefunden zu haben, sind und werden für die Bevölkerung zu einem weiteren Gradmesser für Teilhabe, Sicherheit und Wohlstand in unserem Land.“ 

Gassen hatte die Petition zur Rettung der ambulanten Versorgung eingebracht, die von rund 550.000 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt worden war. Gemeinsam mit Dr. Stephan Hofmeister, dem stellvertretenden KBV-Vorstandsvorsitzenden, stand er im Ausschuss Rede und Antwort. „Wir brauchen jetzt Lösungen“, betonte Hofmeister. „Zu viel Bürokratie und eine schlecht gemachte Digitalisierung rauben wertvolle Zeit, die der Patientenversorgung fehlen. Zudem müssen die Regresse endlich aufgehoben werden“, so der KBV-Vize weiter. 

In einem eindringlichen Appell wandten sich beide KBV-Vorstände an den Bundesgesundheitsminister, zumindest die eigentlich politisch konsentierten Dinge wie die Entbudgetierung für Hausärzte sowie Entbürokratisierung endlich umzusetzen. „Bisher gibt es nichts, was wir bewerten könnten“, so Gassen abschließend.

Video: Aufzeichnung der Sitzung auf der Website des Bundestags 

Video: KBV-Chef Gassen zur Anhörung im Petitionsausschuss 

 

Aktiv werden - Mailing an Bundestagsabgeordnete

Um Politiker auf die unhaltbare Lage in den Praxen aufmerksam zu machen, hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung eine Online-Aktionsseite zum Praxenkollaps ins Leben gerufen. Dort können Bürger ihre Abgeordneten im Bundestag kontaktieren, ihre Sorgen zum Ausdruck bringen und sie auf die schwierige Situation in der ambulanten Versorgung hinweisen.

Unter www.praxenkollaps.info lassen sich ganz einfach Bundestagsabgeordnete suchen und anschreiben – ob per Postleitzahl, Wahlkreis oder Namen. Damit können sie auf den drohenden Praxenkollaps aufmerksam gemacht werden.

Sondersitzung der KVBB-Vertreterversammlung zur Aktion „PraxenKollaps“ 

Es ist fünf nach zwölf

Die Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) unterstützt ohne Wenn und Aber die gemeinsame Protestaktion „PraxenKollaps“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Kassenärztlichen Vereinigungen. Auf ihrer Sondersitzung am 18. August in Berlin im Vorfeld der bundesweiten Krisensitzung beschlossen die KVBB-Vertreter einstimmig eine entsprechende Resolution.

„In der ambulanten Versorgung ist es bereits fünf nach zwölf“, warnte VV-Präsidentin Dr. Anke Speth. Egal ob eigene Praxis oder Medizinisches Versorgungszentrum – die Probleme seien überall so groß, dass das gesamte ambulante System gefährdet sei.

Der ambulante Bereich werde seit Jahren kaputtgespart. Eine Inflationsrate von derzeit über sechs Prozent lasse Betriebs- Personal- und Investitionskosten in den Praxen in die Höhe schnellen, so die Kinderärztin aus Rüdersdorf weiter. Hinzu kämen der Fachkräftemangel sowie eine verordnete Digitalisierung, die bisher für die Praxen nur Mehraufwand aber kaum Nutzen bringe. So könne es nicht weitergehen. „Wenn unsere Sorgen und Forderungen von der Politik nicht endlich ernstgenommen werden, wird das in den kommenden Monaten sehr negative Auswirkungen auf die Versorgung unserer Patienten haben.“

Mit wenigen Worten brachte Hausarzt Jens-Peter Schrambke die Misere in den Praxen auf den Punkt: „Ich behandele Menschen. Das bedeutet zuhören, sich Zeit nehmen, auch mal die Hand auf die Schulter legen. Doch ‚behandeln‘ ist in den neuen Gesetzentwürfen nicht vorgesehen.“ Und noch etwas bringt ihn auf die Palme: dass er und sein Praxisteam viel Zeit und Nerven in den Versand der eAU investieren müssen, während Krankenkassen dadurch ihre Verwaltungsabläufe massiv entschlacken und Kosten sparen.

Um Veränderungen zu bewirken müsste sich die Ärzteschaft untereinander einig sein – und dies sei bisher leider nicht immer der Fall, sagte Dr. Dagmar Haase. Vertrauen in die KV und die Berufsverbände müsse gestärkt werden. Dafür seien die Regionalbeiräte und VV-Mitglieder gefordert, so die Chirurgin aus Wildau. Dem pflichtete KVBB-Vorstandsvorsitzende Catrin Steiniger bei: „Es ist Eure Aufgabe, die Kolleginnen und Kollegen an der Basis mitzunehmen.“

Um die Kolleginnen und Kollegen zu überzeugen brauche es aber auch eine Therapie, sagte Dr. Hanjo Pohle. Der Allgemeinmediziner aus Rathenow forderte konkrete Maßnahmen, die ergriffen werden, wenn der Bundesgesundheitsminister den Forderungen der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft nicht nachkommt. Die KVen müssten auch mal signalisieren, dass sie nicht bereit seien, bestimmte Dinge mitzutragen.

Gemeinsam mit über 700 Kolleginnen und Kollegen aus allen Bundesländern brachten die KVBB-Vertreter in der anschließenden Krisensitzung der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft einen Forderungskatalog an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf den Weg. Darin werden unter anderem eine tragfähige Finanzierung der ambulanten Versorgung, die Entbudgetierung, Bürokratieabbau und ein Kurswechsel bei der Digitalisierung angemahnt.

Der Bundesgesundheitsminister wird aufgefordert, bis zum 13. September 2023 zu den einzelnen Forderungen Stellung zu beziehen und konkrete Umsetzungsschritte zu benennen.

Darum waren am 18. August in Berlin dabei

„Die etablierte ambulante Gesundheitsversorgung sollte gestärkt werden, anstatt neue Parallelstrukturen zu schaffen! Die ungerechte Bezahlung und Förderung zwischen Haus- und Gebietsarzt gehört abgeschafft – sie führt zur Spaltung der ambulanten Ärzteschaft. Patienten und Krankenkassen müssen mit in die Pflicht genommen werden: durch eine bessere Patientensteuerung durch die Terminservicestellen und Gesundheitsbildung der Patienten.“

Dr. med. Evi Engelhardt, Fachärztin für Augenheilkunde, Brandenburg an der Havel

 

„Die Rahmenbedingungen, unter denen wir die Patientenversorgung als Dermatologen im Land Brandenburg aufrechterhalten verschlechtern sich stetig: keine Neupatientenregelung mehr, anhaltende Budgetierung, kontinuierlich zu geringe Honorarabschlüsse mit den Kassen und ein enorm gestiegener Kostendruck durch Energiepreis-, Miet- und Gehaltssteigerungen für unsere MFA. Hinzu kommen der Fachkräftemangel und eine nicht funktionierende Telematikinfrastruktur. Gleichzeitig kommen aus dem Hause Lauterbach Gesetzesvorschläge, die den ambulanten Sektor völlig außer Acht lassen. Die Versorgung unserer Patienten beginnt weit vor der Krankenhaustür!“

Dr. Markus Friedrich, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Oranienburg

 

„Ich möchte mich dafür einsetzen, dass die ambulante, insbesondere fachärztliche Versorgung flächendeckend in unserem Land für unsere Patientinnen und Patienten erhalten bleibt. Dazu ist es notwendig, die Vergütung der ärztlichen Leistungen entsprechend der ständig steigenden Kostenstruktur im fachärztlichen Bereich anzupassen. Die Rahmenbedingungen durch politische Entscheidungen für die ambulante Medizin müssen sich dahingehend verändern, dass Ärzte und Ärztinnen aller Fachrichtung mit wirtschaftlicher Planungssicherheit, Engagement und Freude an der Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten tätig sein können und die Attraktivität der ärztlichen Tätigkeit im ambulanten Setting für nachfolgende Arztgenerationen erhalten bleibt.“

Dr. Dagmar Haase, Fachärztin für Chirurgie und Unfallchirurgie, Wildau

 

„Ich nehme teil, weil wir gemeinsam unbedingt ein Zeichen setzen müssen. Es muss den Verhandlern klar gemacht werden, dass sich die Ärzteschaft eine erneute Zumutung wie die zwei Prozent Steigerung wie im letzten Jahr nicht mehr gefallen lassen wird.“

Dr. med. Karin Harre, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Walsleben

 

„Ich nehme teil, damit wir eine Möglichkeit haben, wahrgenommen zu werden, eine Lobby haben wir ja leider nicht. Leider steigt unser Orientierungspunktwert seit Jahren nur marginal, während in anderen Berufsgruppen, wie dem Öffentlichen Dienst, Löhne und Gehälter um bis zu 10 Prozent jährlich gesteigert werden. Streiken, wie die Piloten und alle anderen Berufsgruppen, dürfen wir nicht. Somit verbleibt die Hoffnung, mit dieser Protestaktion unsere Interessen nach außen darzustellen.“

Antje Meinecke, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Potsdam

 

„Es muss Schluss sein mit Kompromissen, mit der Ausbeutung unserer ärztlichen Fürsorge, Schluss mit der der Minderwahrnehmung unserer enormen Leistungen zur Gesundheit der Menschen, Schluss mit der Partnerschaft mit Krankenkassen, deshalb müssen wir unsere Leistungen reduzieren, um effizienter zu werden und Effizienz ist nach Sachverständigenrat ethisch! Keiner wird uns das Honorar geben, was wir verdienen und erarbeiten zum Wohle unserer Patienten, deshalb kann leider nur eine Einschränkung unserer Leistungsfähigkeit im Kontext der Wirtschaftsgesetze die einzige Antwort sein! Ungewöhnlich, aber genau die richtige Schlussfolgerung auf den gesellschaftlichen Tenor Gesundheit mit ökonomischen Kennziffern zu versehen.“

Dr. Hanjo Pohle, Facharzt für Allgemeinmedizin, Rathenow

 

„Ich nehme an der Krisensitzung der KBV teil, weil ich mich als stellvertretendes Mitglied der Vertreterversammlung der KVBB verpflichtet fühle, gegenüber den Kollegen/Innen, die mich gewählt haben, mich über die derzeitigen Pläne der Politik bezüglich der Umstrukturierung der ambulanten Versorgung und Verzahnung der stationären und ambulanten Versorgung für Kassenpatienten zu informieren und dazu Stellung zu nehmen. Deswegen tauche ich aus dem Arbeitsalltag einer Allgemeinmedizinpraxis auf, um bei diesem Treffen präsent zu sein.“

Dr. Marcella Sommerer, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Oranienburg

 

„Ich bin dabei, weil Eines sicher ist: Wenn wir nicht endlich ernst genommen werden mit unseren Forderungen, dann wird das in den nächsten Monaten Auswirkungen auf die ambulante Patientenversorgung in unseren Praxen und Medizinischen Versorgungszentren haben. Und mal ehrlich: Möchten Sie Ihre Arbeitszeit damit vergeuden, den Patienten Verschlechterungen, die sich ergeben werden, zu erklären oder behandeln Sie sie lieber weiter zuverlässig – so wie Ihre Patienten es an Ihrem Team schätzen?“

Dr. med. Anke Speth, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Rüdersdorf

 

„Die ambulante Medizin darf nicht kaputt gespart werden. Die Betriebskosten für die Praxen sind massiv gestiegen, dafür brauchen wir dringend einen Ausgleich. Viele Angestellte im Land haben Lohnerhöhungen und Inflationsausgleiche erhalten, dieses Recht fordern wir auch für unsere Angestellten und für uns.“

Kristin Tributh, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Potsdam

 

"Ich nehme teil, um zu zeigen, dass wir unzufrieden mit der Honorarpolitik der letzten Jahre sind. Die Honorarsituation muss sich ändern, damit Praxen in der Lage sind, die stark gestiegenen Praxisbetriebskosten zu bewältigen, ihren Mitarbeiter/Innen adäquate Löhne zahlen zu können, aber auch den gestiegenen Anforderungen bei der Digitalisierung gerecht zu werden. Nur so wird die Niederlassung attraktiv und die so wichtige ambulante Versorgung der Menschen im Land auch in Zukunft erhalten bleiben."

Dr. Katharina Weinert, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Fredersdorf-Vogelsdorf