Berufspolitik

Vertreterversammlung: Wollen wir gestalten oder verwalten?

KBV-Vorstand stand Rede und Antwort

Die Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) kam am 24. November im Haus der Brandenburgischen Ärzteschaft in Potsdam zusammen. Auf Einladung nahmen auch Dr. Andreas Gassen, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und sein Stellvertreter Dr. Stephan Hofmeister an der Sitzung teil.

Dr. Gassen erläuterte der VV die Ergebnisse der Honorarverhandlungen auf Bundesebene. Der Orientierungswert steigt zum 1. Januar 2024 um 3,85 Prozent. Das entspricht einem Plus der Gesamtvergütung von insgesamt 1,6 Mrd. Euro. Daneben wird die Personalkostenentwicklung zukünftig in den Verhandlungen ein Jahr früher als bislang berücksichtigt.

Aus der VV kam deutliche Kritik am Honorarabschluss. So sagte zum Beispiel Dr. Hanjo Pohle, Hausarzt aus Rathenow: „Auf der Krisensitzung der KVen im August haben Sie klar gemacht, dass es ein ‚Weiter so‘ nicht geben würde. Jetzt sind Sie eingeknickt und haben diesem nicht zufriedenstellenden Ergebnis zugestimmt. Da ist eine Menge Vertrauen verloren gegangen!“ Dem entgegnete der KBV-Chef, dass die Alternative gewesen wäre, 200 Mio. Euro zu verschenken, da der Abschluss vor dem Schiedsamt deutlich niedriger gewesen wäre. „Unser Job ist es, das maximale Budget unter den geltenden Rahmenbedingungen zu verhandeln. Die Alternative wäre gewesen, viel Geld liegen zu lassen. Klar ist doch, dass die Systematik der vertragsärztlichen Versorgung und Finanzierung nicht mehr funktioniert. Daher haben wir auf der Sitzung im August auch einen umfangreichen politischen Forderungskatalog verabschiedet.“

Gegenstand des Forderungskatalogs sind nicht nur eine tragfähige Finanzierung der ambulanten Versorgung und das Ende der Budgetierung, sondern unter anderem auch die Abschaffung der Regresse, weniger Bürokratie und ein Kurswechsel in der Digitalisierung. Dr. Gassen kündigte an, dass ab dem Frühjahr 2024 mit einer groß angelegten Medienkampagne auf die Herausforderungen und Missstände in der ambulanten Versorgung hingewiesen werden soll.

Zum Thema Entbudgetierung ging KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister ins Detail. Der Bundesgesundheitsminister habe angekündigt, dass die Entbudgetierung der Hausärzte kommen werde. „Das wird auch Zeit. Denn ein Budget ist nur notwendig, wenn es zu viel von etwas gibt. Wir haben aber zu wenig Hausärzte!“ Entscheidend für die angekündigten Regelungen seien letztlich die genaue Formulierung und Berechnungssystematik. „Geld wird dabei aber nicht verloren gehen“, so Dr. Hofmeister.

Gestalten oder verwalten?

Catrin Steiniger, Vorsitzende der KVBB, sprach in ihrem Bericht zur Lage eine zentrale Zukunftsfrage für die ärztliche Selbstverwaltung an: „Welche Rolle wollen wir als KV zukünftig spielen? Wollen wir gestalten oder wollen wir nur verwalten?“ Sie erläuterte der VV die aktuellen Pläne der politisch Verantwortlichen in Bund und Land, die Kompetenzen der Selbstverwaltung weiter zu beschneiden. So sei eine Ambulantisierung von Krankenhausleistungen ohne Anrechnung auf die KV-Bedarfsplanung politisch gewollt. Und auch die strukturierte regionale Versorgungsplanung liege in Federführung der Länder.

Gleichzeitig drängen die Krankenkassen darauf, die regionale Versorgung aktiv zu gestalten. Es gibt Vertragsvorschläge für die Zusammenarbeit von Krankenkassen und Kommunen, bei denen die KVen gar nicht vorkommen. „Das ist ein klarer Eingriff in unsere planerische Hoheit. Das geht so nicht“, so die KVBB-Vorsitzende. „In unserer nächsten VV-Klausur werden wir intensiv diskutieren müssen, wie wir uns als Vertragsärzte und -psychotherapeutenschaft positionieren.“

Darüber hinaus berichtete Frau Steiniger unter anderem vom Engagement der KVBB in den Regionalkonferenzen des Landes. In diesen wird über die Aufstellung des neuen Krankenhausplanes für das Land Brandenburg beraten. Der Plan muss an neue bundeseinheitliche Vorgaben angepasst werden. „Hier müssen wir uns unbedingt einbringen und unsere Interessen vertreten. Denn dem ambulanten Bereich kommt mit Blick auf die geplante Krankenhausreform des Bundes und die Ambulantisierung eine zentrale Bedeutung zu. Es ist daher wichtig, dass wir mit am Tisch sitzen.“

Sicherstellungsstatut

In den Vortrag von Dr. Stefan Roßbach- Kurschat, stellvertretender KVBB-Vorsitzender, fiel unter anderem die Diskussion über das Sicherstellungsstatut der KVBB. Er erläuterte, dass gemäß den Vorgaben des Bundesmantelvertrags geregelt ist, dass für die bedarfsgerechte Versorgung der Patienten in Vollzeit tätige Vertragsärzte mindestens 25 Sprechstunden wöchentlich anbieten müssen. Diskutiert wurde darüber, ob dies zwangsläufig an fünf Werktagen zu erfolgen hat oder ob der Zusatz „in der Regel an fünf Werktagen von Montag bis Samstag“ gestrichen werden könne. Dipl.-Med. Silke Felgentreff, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie aus Cottbus, hatte dazu eine klare Position: „Wenn da ‚in der Regel‘ steht, kann ich das machen, wenn ich eine Vertretung habe. Wenn wir das so reinschreiben, ist das ein Signal an die Politik.“ Andere VV-Mitglieder sahen den Antrag jedoch kritischer und hatten juristische Fragen. Daher wird sich die VV im März erneut mit dem Thema beschäftigen.

Elektronische Patientenakte

Holger Rostek, Vorstand der KVBB, erläuterte der VV unter anderem die elektronische Patientenakte (ePA). Diese ist eine besonders gesicherte Dokumentenverwaltung innerhalb der Telematikinfrastruktur (TI), in der alle medizinischen Daten gespeichert werden können. Das Bundesgesundheitsministerium plant, dass ab Januar 2025 die ePA für alle Versicherten verfügbar ist. Bis 2026 sollen dann 80 Prozent aller gesetzlich Versicherten eine ePA haben. „Ihre Aufgabe als Vertragsärzte und -psychotherapeuten ist es dann, die Daten, die in der aktuellen Behandlung erhoben und elektronisch verarbeitet werden, in die elektronische Patientenakte zu übermitteln. Machen Sie das nicht bzw. falsch, nicht vollständig oder rechtzeitig, kann das mit einem Bußgeld von bis zu 300.000 Euro geahndet werden, so der aktuelle Entwurf. Das ist eine Frechheit“, so Herr Rostek.

Die nächste reguläre Vertreterversammlung findet am 8. März von 12 bis 18 Uhr im Haus der Brandenburgischen Ärzteschaft in Potsdam statt.