„Ambulante Versorgung braucht mehr Förderung“
Die Honorarverhandlungen für das kommende Jahr sind abgeschlossen, und die Brandenburger Praxen können mit einer finanziellen Verbesserung rechnen. Catrin Steiniger, Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, spricht im Interview über erzielte Erfolge, Herausforderungen und die dringende Notwendigkeit einer langfristigen Unterstützung der ambulanten Versorgung.
Frau Steiniger, die Honorarverhandlungen für 2025 sind abgeschlossen. Wie bewerten Sie das Ergebnis?
Wir konnten für die Brandenburger Praxen auf Basis des bundesweiten Ergebnisses einen Anstieg des Orientierungswertes um 3,85 Prozent erreichen. Zudem bleibt die im vergangenen Jahr erhöhte Fördersumme von 6,5 Millionen Euro für förderungswürdige Leistungen erhalten. Für die Arbeit im Bereitschaftsdienst konnten wir die bestehende strukturelle Förderung sichern. Besonders wichtig: Für den Fall von Gesetzesänderungen zur Akut- und Notfallversorgung haben wir eine Nachverhandlungsklausel erwirkt. Und mit der neu eingeführten Unterstützung von 500.000 Euro für die dermatologische Versorgung gehen wir gezielt gegen regionale Versorgungsengpässe vor. Insgesamt bedeutet das ein Plus von rund 60 Millionen Euro für die ambulante Versorgung im Land Brandenburg.
Klingt nach einem Erfolg für die ambulante Versorgung. Aber es gibt auch kritische Stimmen, die sagen, dass das Plus den steigenden Kosten in den Praxen nicht gerecht wird. Wie sehen Sie das?
Diese Kritik ist leider berechtigt. Die Kostensteigerungen in den Praxen, die laut statistischem Bundesamt von 2021 auf 2022 um elf Prozent gestiegen sind, lassen sich mit der aktuellen Vergütungsstruktur kaum abfangen. Die Schere zwischen den realen Kosten und der Vergütung im ambulanten Sektor geht immer weiter auf. Eine reine Anpassung des Orientierungswertes kann das nicht auffangen – hier muss strukturell nachjustiert werden. Daher werden sich die Vorstände der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Januar 2025 in einer Klausursitzung mit dieser Problematik befassen.
Ein zentrales Thema bleibt die Umverteilung von ehemals stationären Leistungen in den ambulanten Bereich. Welche Herausforderungen sehen Sie dabei?
Die Übertragung stationärer Leistungen in den ambulanten Bereich ist grundsätzlich sinnvoll und kann Patientinnen und Patienten sogar zugutekommen. Allerdings wird eine angemessene Vergütung hier dringend notwendig sein. Ohne eine klare Budgetbereinigung im stationären Bereich ist es den Praxen nicht möglich, diese zusätzlichen Leistungen wirtschaftlich zu übernehmen. Auch in diesem Punkt werden wir den Druck auf die Verantwortlichen in der Politik aufrechterhalten.
Was fordern Sie von der Politik, um die ambulante Versorgung langfristig zu stärken?
Die ambulante Medizin ist der wirtschaftlich effizienteste und patientennächste Versorgungsbereich. Das muss sich auch in der Unterstützung widerspiegeln. Wir benötigen eine nachhaltige Förderung, die den steigenden Kosten gerecht wird und den ambulanten Bereich im Vergleich zum stationären Sektor nicht benachteiligt. Langfristig ist ein Umdenken erforderlich, das die unverzichtbare Rolle der niedergelassenen Praxen für das Gesundheitssystem anerkennt und stabilisiert.
Vielen Dank für das Gespräch.
Gefragt und notiert von Christian Wehry