Pressemitteilung

Patientensteuerung: „Was in der Uckermark oder der Lausitz fehlt, sieht man in Berlin nicht“

Catrin Steiniger, Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB), begrüßt die aktuelle Debatte zur verbesserten Steuerung von Patientinnen und Patienten und unter­stützt in diesem Zusammenhang grundsätzlich das von der Kassen­ärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am 19. Mai vorgelegte Konzept. Klar ist jedoch: Eine zukunftsfeste Versorgung braucht mehr als einheitliche Steuerungsideen. Sie braucht regional zugeschnittene Lösungen und bedarfsgerechte Spielräume, insbesondere für Flächenländer wie Brandenburg.

Catrin Steiniger:

„Ich habe dem KBV-Konzept zugestimmt, weil wir damit Verantwortung übernehmen für eine ambulante Versorgung, die auch morgen noch funktioniert. Aber: Was in Berlin-Mitte praktikabel erscheint, kann in der Uckermark oder der Lausitz zum Nadelöhr werden. Steuerung braucht Flexibilität, Augenmaß und Praxistauglichkeit.“

Bei regionalen Herausforderungen wie Ärztemangel, Fachkräftelücken, langen Wegen und infrastrukturellen Hürden sei eine verpflichtende Steuerung vor allem über hausärztliche Praxen und die Rufnummer 116117 weder realistisch noch zielführend, so die KVBB-Vorsitzende weiter. „Ich setze mich daher dafür ein, dass alle grundversorgenden Praxen bei Bedarf auch als erste Anlaufstelle genutzt werden können. Gleichzeitig müssen bürokratische Hürden abgebaut, technische Schnittstellen – etwa zwischen Notaufnahme, Leitstellen und Praxen – weiter ausgebaut und insbesondere der notwendige Ausbau der 116117 umfänglich finanziert werden.“

Die KVBB hat in den letzten Jahren wichtige Grundlagen geschaffen: Brandenburg ist bundesweit Vorreiter bei der digitalen Vernetzung von Notrufnummern (112/116117) und engagiert sich aktiv in Pilotprojekten zur sektorenübergreifenden Versorgung.

Ein kritisches Wort richtet Catrin Steiniger an pauschale Interpre­tationen von Bevölkerungsbefragungen, wie jüngst durch die AOK Nordost: „Eine telefonische Befragung von 501 Personen ersetzt keine Versorgungsforschung. Die Zustimmung in der Befragung zu nichtärztlicher Erstversorgung spiegelt vor allem die Sorge der Bevölkerung um Zugang und Wartezeiten wider – nicht aber deren Wunsch nach Abkehr vom Arztberuf als zentrale Instanz für Diagnostik und Behandlung.“

Wenn darüber hinaus zwei Drittel der Befragten angeben würden, im Zweifel auf die freie Facharztwahl verzichten zu wollen, sage das wenig über Versorgungssicherheit aus. Daraus ließe sich nicht die Notwendig­keit einer Primärversorgung durch nichtärztliches Personal ableiten. „Die Lösung liegt nicht in neuen Strukturen allein, sondern im gezielten Ausbau und der verlässlichen Unterstützung bestehender Angebote“, so Catrin Steiniger.

Zugleich betont die KVBB-Vorsitzende, dass jede Form von Steuerung nur dann wirken kann, wenn Patientinnen und Patienten auch verbind­lich in den Prozess einbezogen werden. „Solange es keine klare Ver­pflichtung zur Nutzung der vorgesehenen Wege gibt, bleibt jede Steuerung ein zahnloser Tiger“, warnt Catrin Steiniger. „Ohne Akzep­tanz und Mitwirkung der Bevölkerung, insbesondere bei der Nutzung zentraler Anlaufstellen, kann das System seine Wirkung nicht entfalten.“

Und auch mit Blick auf die Finanzierung müsse mit unrealistischen Erwartungen aufgeräumt werden: „Steuerung ist kein Sparinstrument. Sie dient in erster Linie dazu, Ressourcen sinnvoll einzusetzen und Versorgungswege zu optimieren und nicht dazu, kurzfristig Kosten zu senken“, so Catrin Steiniger abschließend.