Entbudgetierung mit Tücken
Vertreterversammlung diskutierte aktuelle Gesetzesentwürfe und neue Bereitschaftsdienstordnung
Einen sehr ausführlichen Bericht präsentierte die Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB), Catrin Steiniger, der Vertreterversammlung (VV) auf ihrer jüngsten Sitzung am 14. Juni in Potsdam. Eine Stunde lang erläuterte sie unter anderem aktuelle Gesetzesvorhaben.
Heftig kritisierte sie dabei die geplante Krankenhausreform. Sie zementiere die Ungleichbehandlung zwischen ambulantem und stationärem Sektor, monierte Frau Steiniger. Nach den Plänen des Bundesgesundheitsministers sollen kleine Kliniken in der Fläche, so genannte Level Ii-Krankenhäuser, künftig verstärkt ambulante Angebote machen. Diese würden allerdings quersubventioniert über die Vorhalte- und Investitionspauschalen, die Kliniken für ihre stationäre Arbeit erhalten, kritisierte die KVBB-Chefin. Medizinische Versorgungszentren und Praxen bekämen diese Pauschalen nicht.
Skeptisch betrachtete sie auch den Gesetzentwurf für die Reform der Notfallversorgung. Zwar sei die KVBB mit der digitalen Schnittstelle zwischen 116117 und 112 und den 19 landesweiten Bereitschaftspraxen bereits sehr gut aufgestellt. Sorge bereitet Frau Steiniger jedoch, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche auch noch eine telemedizinische und eine aufsuchende Versorgung vorhalten sollen. Dies sei personell nicht zu stemmen. Zudem würden unnötige, teure Doppelstrukturen aufgebaut, deren Finanzierung völlig unklar sei. Die Strukturen im Bereitschaftsdienst werden bisher hälftig von Ärzteschaft und Krankenkassen finanziert.
Kritik an Entbudgetierungsplänen
Dr. Stefan Roßbach-Kurschat, stellvertretender Vorsitzender der KVBB, ging kritisch auf die im aktuellen Regierungsentwurf zum GSVG vorgesehene Entbudgetierung im hausärztlichen Bereich und die Vorhaltepauschalen ein. „Im schlimmsten Fall können wir für wichtige hausärztliche Leistungen weniger Geld bekommen“, so der KVBB-Vize. Bei den aktuellen Plänen zur Vorhaltpauschale gebe es einen „großen Strauß an Möglichkeiten“, um das Honorar zu bekommen. Praxen, die allen Kriterien erfüllten, würden am Ende mehr Geld erhalten. „Wer nur die Hälfte davon anbieten kann, könnte am Ende weniger Geld nach Hause bringen.“
Der KVBB-Vize äußerte zudem Bedenken hinsichtlich der Pläne bezüglich der Behandlung von Mono-Chronikern. Diese sollen zukünftig nur einmalig von einer Praxis in einem bestimmten Zeitraum abgerechnet werden dürfen. Eine Auswertung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung für das Jahr 2022 zeige jedoch, dass 30 Prozent der Mono-Chroniker unterschiedliche Hausarztpraxen besuchen. Das kann zu Problemen führen.
Auch die geplante Umgestaltung der hausärztlichen Leistungen im EBM betrachtete er kritisch: „Die punktsummenneutrale Honorierung zur Strukturverbesserung basiert auf der alten ‚Vorhaltepauschale‘ der 03040. Diese ist wichtig, um jeden Patienten in einer Hausarztpraxis zu unterstützen. Mehr Patienten mit zunehmenden und komplexeren Krankheiten sowie höherem Zeitbedarf, besonders bei der Übernahme von Patienten aus dem Krankenhaus in den ambulanten Bereich, können mit der gleichen Vergütung pro Fall nicht mehr bewältigt werden.“
In Brandenburg gibt es zudem eine Besonderheit bei der Entbudgetierung. Dr. Roßbach-Kurschat erläuterte: „Das Jahr 2023 soll als Basisjahr für die Vergütung dienen. Wegen der hohen Fallzahlen durch Infekte im Winter 2022/2023 mussten in Brandenburg jedoch 6,6 Millionen Euro aus Rücklagen verwendet werden. Solche Sondereffekte müssen bei der Festlegung der Ausgangsbasis für die ‚Entbudgetierung‘ berücksichtigt werden. Ansonsten könnte der Gesetzgeber fälschlicherweise davon ausgehen, dass jedes Jahr die gleiche Summe ohne Grundlage finanziert werden kann.“
ePA: Refinanzierung nicht sichergestellt
Ab Januar 2025 soll die Elektronische Patientenakte (ePA) für alle Bürger eingeführt werden. Holger Rostek, Vorstand der KVBB, warnte die VV jedoch vor erheblichen Herausforderungen für die Arztpraxen. „Die neuen ePA-Funktionen bedeuten einen großen personellen Aufwand für die Praxen, insbesondere zu Beginn“, betonte Herr Rostek. „Wir haben bereits bei der Einführung der eAU und des eRezeptes gesehen, dass die technische Umsetzung oft qualitativ unzureichend war und zu erheblichen Problemen geführt hat.“
Offen bei der ePA sei auch noch die vollständige die Kostenerstattung für den Aufwand der Praxen zur Einführung der „ePA für alle“. „Es ist derzeit nicht geklärt, welche Preise die PVS-Hersteller für die neuen Funktionen und die Installation der Updates verlangen werden“, so Herr Rostek. „Eine ausreichende Refinanzierung durch die Krankenkassen, die auch den personellen Aufwand berücksichtigt, ist noch nicht sichergestellt.“
Die flächendeckende Einführung der ePA könne nur erfolgen, wenn die benötigte Software stabil und praxistauglich funktioniere. „Der Januar 2025 ist ein Startschuss, keine Deadline. Die Regelungen müssen flexibel sein und die Finanzierung der Aufwände gesichert werden. Hier ist der Gesetzgeber gefordert nachzujustieren!“ Herr Rostek mahnte an, dass die Praxen nicht überfordert werden dürften und genügend Zeit für die Patientenbetreuung bleibe. Eine starre Regelung oder hohe Erwartungshaltung der Patienten helfe da nicht. „Wir haben einen Ärztemangel und dürfen die wertvolle Zeit der Ärzte nicht durch IT-Probleme verschwenden."
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat die wichtigsten Informationen für Praxen in zwei Broschüren zusammengefasst.
Außerdem auf der Tagesordnung
Nach mehrstündiger Diskussion stimmte die Vertreterversammlung für eine Änderung der KVBB-Bereitschaftsdienstordnung. Neu ist unter anderem, dass sich Ärztinnen und Ärzte mit kleinen Kindern künftig bis zu drei Jahre vom Bereitschaftsdienst befreien lassen können. Auch soll künftig die Videosprechstunde im Bereitschaftsdienst möglich sein. Abgelehnt wurde die Einrichtung eines zusätzlichen Hintergrunddienstes an Tagen mit hoher Belastung des Bereitschaftsdienstes. Auch der Vorschlag, Präsident und Vorstandsmitglieder der Landesärztekammer nicht mehr vom Bereitschaftsdienst zu befreien, fand keine Mehrheit.
Die VV hat ihre Geschäftsordnung angepasst: Sitzungsunterlagen werden künftig in der Regel nur noch papierlos im elektronischen Sitzungsmanagement zur Verfügung gestellt. Resolutionen werden jetzt wie Anträge behandelt und müssen spätestens drei Wochen vor der Sitzung eingereicht werden.
Zudem standen Wahlen an: Neues Mitglied im Beratenden Fachausschuss für die fachärztliche Versorgung ist Dr. Markus Friedrich, Hautarzt in Oranienburg. Kristin Tributh, Allgemeinmedizinerin in Potsdam, verstärkt ab sofort den Beratenden Fachausschuss für die hausärztliche Versorgung. Als neues Mitglied in den Haushaltsausschuss wurde Dr. Stephan Richter, Hausarzt in Grünheide, gewählt.